![]()  | 
		Die schwarze Gazette Ausgabe 54 vom 21.05.2002  | 
		![]()  | 
	
| Reisebericht | ||
![]()  | 
          Die Reise nach Outside Wind | ![]()  | 
        
| 
             Die schwarze Gazette: Reisebericht Liebe Leserinnen und Leser, abweichend vom üblichen politischen Auftrag, präsentieren wir ihnen in dieser Ausgabe einen etwas eigenwilligen Reisebericht. Die Autorin möchte aus naheliegenden Gründen ungenannt bleiben. Die Reise nach Outside Wind ------------------------------------- - Unterwegs im Lande des Tyrannen - Von Britain nach Outside Wind - Das Gasthaus "Zum tanzenden Holzwurm" "Die Reise fängt ja gut an!", mit diesen Worten kratze ich mir die Pferdegülle von den Stiefeln. Lensar der Stahlknecht bei der Postkutsche zu Britain lächelt mich mitleidig an. "Immer hinschauen, wo man hintritt Mylady!", schmunzelnd er zu mir herüber. "Depp!", denke ich, während ein freundlich lächelndes "Danke für den guten Rat!", über meine Lippen kommt. Es ist heiß, die Stahlfliegen surren um mich herum wie die Motten ums Licht, während ich auf die Postkutsche zum Turnierplatz warte. Endlich, die Kutsche kommt - Und natürlich lenkt der Kutscher den Wagen gekonnt in die Schlammpfütze. Dreck spritzt. Mein Kleid ist ruiniert. Nein, ich rege mich nicht auf, so was kann ja mal passieren – Ich bin die Ruhe selbst. Ich bin auf den Wege nach Outside Wind, dem Ort wo die Götter Urlaub machen. Beim Einsteigen in die Kutsche macht mich so ein Mannsbild doch glatt von der Seite an: "Moment, Mütterchen, erst zahlen, dann einsteigen!" "MÜTTERCHEN!?", spontan fallen mir fünf qualvolle Todesarten für den Tölpel ein. Doch trotz meines durchdringenden Blickes, hält mir der Postillion unverfroren die offene Hand hin und fährt fort: "Schwarzfahren ist nicht! Lass Münzen klingeln, Oma!" Ich ringe nach Luft, was erdreistet sich dieser Wurm!? Doch die Vernunft siegt, mit hochrotem Kopf werfe ich ihm ein paar Münzen hin und nehme Platz. Ich bin wieder die Ruhe selbst, denn ich bin auf den Wege nach Outside Wind, der Stadt in der die Götter Urlaub machen. Die Sitzbank ist hart und unbequem - ich ahne, dass wird eine furchtbare Reise. "Willkommen in der königlichen Postkutsche!", begrüßt mich ein Zwerg und blinzelt mich aus listigen kleinen Augen an. Neben ihm sitzt ein vornehm gekleideter Edelmann. Ich blicke neidisch auf die bequeme Unterlage unter seinem Hintern. Als er meinen Blick bemerkt, deutet er auf das Kissen und erklärt schmunzelnd: "Erste Klasse!" "Aha!" erwidere ich und wünsche ihm die Pest an den Hals. Die Reise geht durch eine modrige Sumpflandschaft, vorbei an den seltsamsten Geschöpfen, zum großen Turnierplatz. Die Kutsche hat hier kurz Aufenthalt. Wir, die Reisenden können kurz verschnaufen. Da ertönt Kampfeslärm, sofort halte ich meinen Dolch unter dem Kleid bereit. "Nimm das, Memme!", ertönt es vom nahen Kampfplatz "Wartet, sind Heiltränke erlaubt?", ertönt besorgt eine piepsige Stimme. "Von mir aus, ich murks euch schneller ab, als ihr einen Heiltrank schlucken könnt!", grunzt die erste Stimme. "Ja und dann hätte ich hier noch eine magische Rolle die mich unverwundbar macht...", piepst es weiter. "Auch recht, dann wird der Kampf wenigstens spannend!", poltert es zurück "Wenn ich's mir recht überlege würde ich doch viel lieber den Schneeleoparden für mich kämpfen lassen." "Ja gut, macht was ihr wollt aber können wir endlich anfangen?" "Eigentlich hat mir meine Mutter immer eingeschärft mich nicht mit Fremden zu prügeln..." Leider verstehe ich die weiteren Worte nicht mehr, da der Zwerg gerade mit dem Kutscher eine heftige Debatte den weiteren Reisepreis anfängt. Zwei neue Fahrgäste steigen zu. Den einen frage ich ob er weiß welche Memme sich da auf dem Turnierplatz gerade vor dem Kampf drückt. "Jemand aus dem Adel!", kommt die schmunzelnde Antwort. Gerade will ich meine Zweifel anbringen, denn ich bin eine heftige Verfechterin des Adels, als der zweite Fahrgast blöd dazwischen labert: "Ei was tickt den da?" fragt er grinsend und blickt dämlich auf meine bronzene Armbanduhr. "Ei, was habt ihr nur für gute Ohren!", äffe ich zurück. Ein Fehler den ich bitter bereue, denn nun muss ich mir bis Vesper einen Vortrag über Gehör und Innenohraufbau über mich ergehen lassen. Wieder umklammere ich meinen Dolch und stelle mir vor wie ich seine Zunge erst langsam in Streifen und dann ganz heraus schneide. Meine schönen Tagträume werden jäh unterbrochen als die Kutsche in Vesper ankommt. Der Superhörer hilft mir galant aus dem Wagen. Ich steige ihm beim Aussteigen mit Absicht auf den Fuß, drehe den Absatz dabei und lächele ihn freundlich an. Dabei weide ich mich genüsslich an seinen Versuchen den Schmerz männermäßig zu unterdrücken. Nach kurzer Rast geht es weiter, durch schöne Wälder, vorbei an bizarren Gebirgszügen. Endlich erreichen wir Minoc, die Stadt der Handwerker und Erzschürfer. Die Kutsche hält unweit der Mine. Es herrscht munteres Treiben. Etwas abseits höre ich ein merkwürdiges Stöhnen. Geschäftige Bewegungen sind hinter einem Gebüsch auszumachen. "Meiner ist größer als Deiner!" höre ich einen Mann zu jemand Unbekanntes sagen. "Deiner mag ja länger sein, dafür ist meiner aber dicker!" erwidert eine unbekannte Männerstimme. Ich merke wie das Blut in mir aufsteigt. Inzwischen war unser Zwerg aufgesprungen und begab sich ohne Schamgefühl hinter das Gebüsch zu den beiden Männern. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken als der Zwerg rief: "Ei Wahnsinn, dass sind wirklich die beiden Größten die ich je gesehen habe!" Jetzt hält mich nicht mehr, neugierig blicke ich durch das Gebüsch auf... zwei große Goldnuggets... "Toll!", würge ich hervor und ziehe meinen feuerroten Kopf wieder zurück. "Die habt ihr hier geschürft?" Der Zwerg ist völlig aus dem Häuschen. Wir werden die Reise wohl ohne ihn fortsetzen. Ich sehe mich ein wenig im Lager der Schürfer um. Doch kaum habe ich mich ein paar Schritte fortbewegt, werde ich auch schon angepöbelt: "Ej Alde, haste ma 'n Goldstück?" Es brodelt in mir, im Umdrehen ziehe ich meinen Dolch um dem Abschaum ein wenig den Bauch aufzuschlitzen. Der Dolch stößt auf etwas hartes unüberwindliches, so dass meine Hand vom Knauf nach vorne hin zur Klinge abrutscht. Ungläubig blicke ich auf das zerfilzte schmuddelige Haar meines Gegners, seine nackten Stoppelbeine und die zerlatschten Sandalen passen irgendwie so gar nicht zu dem Obsidianbrustpanzer, an welchem mein Dolch sich die Klinge ausbeißt. Welch unerhörter Anachronismus! Ich starre erschüttert auf meine Hand - Blut! Und auch noch mein eigenes! Ich werde ohnmächtig. Als ich jedoch merke dass mich der Büffel nicht auffangen wird, verschiebe ich die Ohnmacht und herrsche ihn giftig an: "Verkauft gefälligst Euere Edelmetallrüstung bevor ihr ehrliche Leute anbettelt!" "Hä?", grunzt er,"I soll mei letztes Hemd herge'm? Ja spinnst Alde!?" Jetzt platzt mir endgültig der Kragen, ich packe den Lümmel an seinem ungewaschenen Bart und zerre ihn mit zum nächsten Händler. "He, Kundschaft!", fauche ich durch den Laden, stoße ein Pärchen dass vor uns den Laden betreten hatte zur Seite, haue mit der Faust auf den Tisch und fordere: "Macht einen guten Preis für die Rüstung, der Edelmann hier möchte mal wieder ordentlich Essen!" Der Händler schaut kritisch und meint: "Nun ja, wenn sie geputzt und entlaust ist, ist das Stück wohl an die 75 Tausend wert..." Mir wird schwindelig, der Landstreicher trägt zehnmal mehr Vermögen am Körper als ich in meinem Leben je gesehen habe. Ich bekomme leuchtende Augen. "Liebster!", säusele ich ihm ins ungewaschene Ohr, "weißt Du, was ich... was wir mit dem vielen Gold anfangen werden?" Meine Träume zerplatzen als der Händler erklärt er hätte zurzeit nur ein Zehntel des Goldes da und das Krötenhirn neben mir dem Verkauf zustimmt, noch bevor ich mich schützend dazwischen werfen kann. Nun ist mir völlig klar wie das Preisdumping bei Edelmetallen zustande kommt. Der geistige Fliegenschiss torkelt inzwischen glücklich, nur noch mit einem Sack Gold vor seiner nicht erwähnenswerten Männlichkeit bekleidet, nach draußen. Ich sitze nach Luft japsend in der Ladenecke und versuche zu erfassen WAS sich da eben vor meinen Augen abgespielt hat. Der Händler beugt sich besorgt über mich. Meine Faust will unbedingt in sein Gesicht - und tut’s auch! Ich verlasse den Laden. Die Postkutsche ist fort! War ja klar! Irgend so ein halbnackter Spinner, erzählt man mir, hatte alle Plätze gemietet. Ich beruhige mich wieder, denn ich bin auf den Wege nach Outside Wind, jener Stadt wo die Götter Urlaub machen. Ich beschließe den Rest des Weges zu Fuß zu gehen. Ich gehe durch Wälder, über Wiesen und Felder, wate durch Bachläufe, zerlaufe mir die Schuhe und die Füße blutig, mein Kleid ist in Fetzen, das Haar zersaust… aber - ich werde ankommen. Ich komme an! Vor mir, im Schein des mitternächtlichen Mondes, liegt Outside Wind, die Stadt wo die… ach Scheiß drauf! Wie in Trance torkele ich an der Kutschstation vorbei nach Nordosten bis zu einem herrlichen Hochzeitstempel. Ich würdige ihn keines Blicks und schleppe mich immer weiter nach Nordosten zu einem kleinen Truppenübungsplatz. Ich spüre meine Beine nicht mehr und robbe auf allen Vieren in östlicher Richtung an einem kleinen Teich vorbei. Dann ist es endlich erreicht, dass Ziel meiner Reise Das Gasthaus zum tanzenden Holzwurm in Outside Wind Göttlicher Wein und göttliche Speisen erwarten mich. Mit letzter Kraft krieche ich vor die Schwelle und kratze wie ein Hund an der Tür. Himmliche Ruhe umgibt mich, nur das Scheuern meiner Fingernägel an der Holztüre ist zu hören. ... - Ruhe!? - Das Blut gefriert mir zu Eis. Der kalte Hauch des Todes umklammert mein ängstliches Herz. Warum zum Kuckuck ist es hier so ruhig? Von einem Gasthaus erwarte ich, dass es lärmt, Becherklirren, schmatzende Geräusche, randalierende Gäste... Mühsam und unendlich langsam komme ich auf die Knie und erblicke den Anschlag an der Tür. Eröffnung am 20. dieses Mondes die Zwanzig ist durchgestrichen und durch eine 24 ersetzt. Ein markerschütternder langezogener Schrei des Wahnsinns hallt durch die Nacht von Outside Wind... Nieder mit der Sperrstunde! Es lebe Wein, Weib und Gesang! gez. Die Untergrundbewegung "Freiheit für Britain" Impressum: redaktion@die-schwarze-gazette.de  | 
        
| 21.05.2002 - 22:14 | Kontakt: redaktion@die-schwarze-gazette.de | 
| Startseite | Archiv/Guardian | Archiv/Gazette | Gästebuch | Vergessene Welt | |